Vorbemerkung

Dieser kurze Rückblick erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und ist nach mehr als 25 Jahren sicherlich subjektiv vom Schreiber eingefärbt. Er stellt auch keine politische Aufarbeitung der Jobber- und Erwerbslosengruppe Schwarze Katze da, sondern versucht einige Schlaglichter auf  diesen über mehrere Jahre erfolgreichen Organisationsansatz  zu werfen. Sicher wird die eine oder andere Aktion nicht Erwähnung finden, dies ist der Kürze des Beitrages geschuldet, eine abschließende Geschichte der Schwarzen Katze muss erst noch geschrieben werden. 

Gründungsphase der Schwarzen Katze (1982-84)

Im April 1982 wurde auf  einer Veranstaltung (zu den Verhältnissen im Knast) darüber diskutiert, wie der Widerstand gegen die Unterdrückung und Ausbeutung im Kapitalismus auf eine neue Basis gestellt werden könne. Dem Aufruf, eine Gruppe zu gründen, folgten einige und begannen, sich regelmäßig zu treffen. Das war der Beginn der Erwerbslosen- und Jobberinitiative in Hamburg. Die Gruppe wählte als Symbol die Schwarze Buckelkatze, um einen Bezug zu historischen Vorläufern, den Wobblies in den USA, auch bekannt als I.W.W. (Industrial Workers of the World), herzustellen. Deshalb wurde in der Kurzform von der Schwarzen Katze gesprochen. Die damalige sozialrevolutionäre Diskussion um die neue Massenarmut, die weltweite Mobilisierung von Arbeitskraft, die autonome Bewegung und die Kämpfe der Unterklassen waren wichtige theoretische Orientierungspunkte bei der Entwicklung dessen, was später einmal Jobberansatz genannt werden sollte. Mehr oder weniger alle lebten von Sozialhilfe, vom Arbeitslosengeld oder schlugen sich mit irgendwelchen Jobs durch, was auch die Arbeit und die Diskussionen der Gruppe bestimmte. Die Schwarze Katze verstand sich einerseits als klassische Selbstorganisation und andererseits ging es damals um ein bewusstes linksradikales politisches Projekt. So hieß es dann auch in einem der ersten Flugblätter, auf dem zu dem Treffen der Gruppe eingeladen wurde: „Wir sind eine autonome Initiative von und für Arbeitslose, Sozialhilfeempfänger, Jobber, auch für Asylsuchende, wir sind Deutsche und Ausländer, Männer und Frauen und wir meinen, dass wir uns gegen diese Scheiße wehren müssen und können. Aufgestaute Wut, Hass auf Schikanen vom Staat und Behörden sollten wir zusammen in Gegenaktionen umsetzen, anstatt einen aussichtslosen Alleinkampf auszufechten.“

Einiges zu den Rahmenbedingungen
Zählte man in Hamburg 1970 noch 2319 Arbeitslose, so stieg die Zahl Mitte der 70ger Jahre auf rund 25000, sie ging bis 1980 auf rund 21000 zurück, um dann bis 1987 auf  etwa 100000 hochzuschnellen – das Ganze bei gleich bleibend zirka 2 Millionen Einwohnern. Aber nicht nur die Zahl der arbeitslos Gemeldeten stieg, sondern auch die Dauer der Arbeitslosigkeit. 1983 waren 36,3 Prozent aller Arbeitslosen länger als ein Jahr arbeitslos. Das lag zum Einem am Werftensterben in Hamburg, der Schiffsneubau wurde komplett eingestellt, auch der mit den Werften verbundene Maschinenbau baute massiv Stellen ab. Zum Anderen veränderte sich der Hafen, und es setzte der Siegeszug des Containers ein. Von 1970 bis 1985 verlor Hamburg zwei Fünftel seiner industriellen Arbeitsplätze, insgesamt 135000. Massenarbeitslosigkeit war ein weit verbreitetes neues Phänomen, was aber weniger als ein individuelles Problem gesehen, sondern als ein gesellschaftliches begriffen wurde, wodurch sich die breite Akzeptanz der Aktionen der Erwerbslosen in der Öffentlichkeit erklären lässt. Aber es wurden auch vereinzelt  Stimmen laut, die von den faulen Arbeitslosen und Drückebergern sprachen.1984 erscheint eine DGB-Studie, die das Thema Neue Armut zu einem breiten Skandal machte. Es soll hier nur an Rande noch mal erwähnt werden, dass die Flucht vor der Lohnarbeit eine weit verbreiterte Praxis war: von Flucht aus der Arbeit, über Häuser besetzen, Landkommunen gründen, alternative Betriebe ohne Chefs aufbauen, die neue Frauenbewegung und vieles mehr. Auch sonst wurden die Ansprüche an Lohnarbeit hochgeschraubt, es ging nicht um Lohnarbeit um jeden Preis. Arbeit sollte Spaß machen und ein gutes Auskommen ermöglichen.
Die  damaligen sozialen Sicherungssysteme waren dreigeteilt. Arbeitslosengeld, dann Arbeitslosenhilfe und für alle, die keine Ansprüche erworben hatten, die Sozialhilfe. Wenn heute viele angesichts von Hartz IV von der guten alten Zeit träumen, so muss erwähnt werden, dass es relativ leicht war, Arbeitslosengeld zu erhalten. Dafür musste man ein Jahr beitragspflichtig arbeiten und hatte dafür drei Jahre Zeit. So konnten mehrere kleine Jobs zum Anspruch auf Arbeitslosengeld führen. Solange noch Anspruch von Arbeitslosengeld bestand, konnte der wieder aufgefüllt werden, auch ohne dass man wieder ein Jahr dafür schuften musste. Nach dem Arbeitslosengeld rutschte  man in die Arbeitslosenhilfe. Hatte man sie einmal bekommen, konnte sie quasi bis zur Rente gewährt werden. Das wusste das Arbeitsamt oft zu verhindern. So gab es schon damals Sperren des Leistungsbezuges oder bei Wiederholung die Einstellung der Zahlungen; damals wie heute wegen Terminversäumnissen, Ablehnung zumutbarer Arbeit oder von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und vielem anderen mehr. Dann war man auf Sozialhilfe angewiesen. Als Besonderheit gab es bei der Sozialhilfe die Paragrafen 21 und 23 des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG). Der eine betraf die so genannte gemeinnützige Arbeit, für damals zwei Mark die Stunde in Hamburg. Der andere beinhaltete die so genannte Überprüfung der Arbeitsfähigkeit, damit sollten die Kranken und nicht mehr so Leistungsfähigen aussortiert werden, auch lies sich damit gegen Arbeitsverweigerer vorgehen. Wer sich weigerte, die Arbeit zu machen, dem wurde die ohnehin knappe Zahlung nach dem BSHG gekürzt. So betrug der Regelsatz in Hamburg 1987 418 DM für den Haushaltsvorstand. Der Bezug von Sozialhilfe war überdies besonders für junge Menschen oder Studenten, die nach dem Studium im Sozialhilfebezug landeten, durch die Bedürftigkeitsprüfung erschwert, wo durch das Amt geprüft wurde, ob es noch Unterhaltsansprüche gegen die Eltern gab, die dann für ihre Kinder zahlen sollten. Bei Frauen wurde gerne geprüft, ob sie in einer eheähnlichen Gemeinschaft oder Ehe lebten, um das Einkommen des Mannes zur Berechnung heranziehen zu können. Das entschlüsselte die Schwarze Katze als Zwangssysteme, die mit neuen Formen erzwungener Arbeitsleistungen das kapitalistische Prinzip des Zwangs zur Lohnarbeit durchsetzten.

Weiter mit der Schwarzen Katze

Mit einem Flugblatt, das auf den Ämtern verteilt wurde, wurde zu den Gruppentreffen eingeladen, die bei einer befreundeten türkischen Gruppe stattfanden. Bald trafen sich etwa zwanzig bis dreißig Leute regelmäßig einmal die Woche. Neben dem wöchentlichen Plenum bildeten sich Untergruppen: eine Sozialhilfegruppe, eine Arbeitslosengruppe sowie eine Gruppe zum Asylrecht. Die  verschiedenen Untergruppen entstanden, weil der Bereich der Armut und der gesellschaftlichen Unterdrückung, von der wir betroffen sind, deutlich verschiedene Ausdrucksformen hat. Es gab deshalb Leute, die sich, von ihrer Situation als Sozialhilfeempfänger her, mehr mit dem Sozialamt und mit Zwangsarbeit beschäftigten, als andere, die vom Arbeitsamt Geld bekamen oder immer wieder mit miesen Jobs konfrontiert waren, wo sie zu Niedrigstlöhnen malochen mussten. Wieder andere beschäftigten sich mit der unwürdigen Lebenssituation von Asylbewerbern und mit den Lagern in der Umgebung von Hamburg. Ihren ersten großen öffentlichen Auftritt hatte die Schwarze Katze auf dem 1. Bundeskongress der Arbeitslosen am 2. Dezember 1982 in Frankfurt. Dort wurde das Flugblatt mit dem „Titel Arbeit für alle oder Abschaffung der Lohnarbeit verteilt“. Darin wurde ein Existenzrecht unabhängig davon, ob jemand Lohnarbeit hat oder nicht, propagiert. Die Hauptforderung war ein ausreichendes Existenzgeld für alle. Jeder Mensch hat ein Recht auf eine gesicherte materielle Existenz.

„Wir wollen 1500 DM für alle (mit Inflationsausgleich und keine faulen Tricks) statt Arbeit für Alle.“

Den Schwarze-Katze-Gruppen ging es darum, die Bedingungen zum politischen Thema zu machen, unter denen das alltägliche Leben und Einkommen organisiert werden muss: Wohnen/Miete, Arbeit/Lohn, Erwerbslosigkeit/Sozialleistungen. Ziel war eine auf Dauer angelegte Verankerung im proletarischen Alltag. Von Anfang an war der Kampf gegen die bundesdeutsche Asyl- und Abschiebepolitik sowie gegen sozialpolitische Ausgrenzungsstrategien gegen Flüchtlinge und Migranten integraler Bestandteil der Praxis und Politik der Schwarzen Katze. Das Ziel war der Aufbau einer sozialrevolutionären Massenorganisation. Daneben sollte diese Forderung als Plattform dienen für unterschiedliche Aneignungskämpfe (wie Hausbesetzungen, die Kämpfe von Frauen um ein eigenständiges Einkommen auch und gerade für die Reproduktionsarbeit, schwarzfahren, organisierter Ladendiebstahl, Stromklau und vieles mehr). Das Recht auf eine menschenwürdige Existenz für alle stand auf der Tagesordnung und zwar nicht als Forderung an staatliche Instanzen, sondern als ein Anspruch, der unmittelbar praktisch zum Ausdruck gebracht werden sollte.

Dazu formulierte die Schwarze Katze auf einem Flugblatt:

„1. Vollständiges Ausnutzen der sozialen Hängematte: Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe, Sozialhilfe, Wohngeld, Kuren, Krankengeld

2. Den Reichtum dort holen, wo er angesammelt ist, statt sich ausbeuten zu lassen: Selbstbedienung in großen Läden, Banken, Versicherungen, Nulltarif bei Verkehrsbetrieben, Wohnungen, Selbstbedienung in Fabriken und Büros – so gut wie’s eben geht. Um es noch mal deutlich zu sagen: wir meinen dabei nicht, sich untereinander zu beklauen, sondern die, die uns ausbeuten.“

Die Initiative war inzwischen so groß geworden, dass sie dringend eigene Räume brauchte. Da wir von niemand abhängig sein wollten, war klar, dass wir uns Räume suchten, die wir selbst gestalten und finanzieren konnten. So wurde im April 1983 der erste Laden in der Balduinstraße in St. Pauli bezogen und gleich ein Höhepunkt des Jahres 1983 vorbereitet, der 1. Mai in Hamburg. Mit einem Flugblatt wurde zu einem gemeinsamen Block auf der DGB Demonstration mobilisiert: „Für ein garantiertes Mindesteinkommen für Erwerbslose! Netto-Mindestlohn für alle Arbeiter! Weitere Forderungen sind: ‚Nulltarif in allen öffentlichen – und kommunalen  Einrichtungen‘ ‚Keine Zwangsarbeit und Kasernierung für Sozialhilfeempfänger und Asylbewerber‘ ‚Keine Ausweisung von ausländischen Sozialhilfeempfängern‘“ Dieses Flugblatt sorgte nicht nur beim DGB für große Aufregung. Damit wurde auch auf den Ämtern mobilisiert, wobei es darum ging, ein Informationsrecht in den Ämtern durchzusetzen. Dies war mit vielen Rausschmissen, ganz besonders auf dem Sozialamt St. Pauli, verbunden. Es gelang aber immer wieder, den Wachdienst auszutricksen und irgendwann hat dieser seine Bemühungen, die Verteilung des Flugblatts zu verhindern mehr oder weniger aufgegeben.

Erwerbslosengruppen in Hamburg

Die Diskussionen und Aktionen fanden nicht im luftleeren Raum statt, sondern waren Teil einer breiten Erwerbslosenbewegung in Hamburg, in der  die Schwarze-Katze-Gruppe sicherlich der radikalste Teil war, aber eben nur ein Teil. Sie bestand aus einem Netz von mehr oder weniger staatskritischen Erwerbslosengruppen, aus dem heraus 1983 die Koordination Hamburger Erwerbsloseninitiativen entstand. In ihr schlossen sich sowohl gewerkschaftliche und kirchliche Gruppen zusammen, wie auch die Jobber oder Gruppen, die der DKP nahe standen. Die Arbeit in der Koordination war nie einfach und spannungsfrei, aber sie hat lange Zeit erstaunlich gut funktioniert. Die Breite und Vielfalt der Gruppen in der Koordination war sicherlich wichtig für die Entwicklung der Schwarze-Katze-Gruppen, weil sie deshalb über einen relativ starken Rückhalt verfügten, was sowohl die Inhalte, wie auch die praktischen Aktionen betraf. Etwa bei den gemeinsamen Ämtertagen und später bei den Nulltarif-Aktionstagen beziehungsweise -wochen. Die Aktionen wurden breit diskutiert, auch das Umgehen mit der Polizei. Sie zielten auf Öffentlichkeit und leichte Beteiligung. Das Aneignungskonzept der Schwarzen Katze war immer offensiv und kollektiv angelegt. Natürlich ist auch individuell schwarzgefahren und eingeklaut worden, genauso wie Stromklau und Versicherungsbetrug zum subversiven Alltag gehörten. Im Mai 1983 fand eine bundesweite Aktionswoche statt, in der das Arbeitsamt in Hamburg für eine Pressekonferenz besetzt wurde und der Leiter des Arbeitsamtes Rede und Antwort stehen musste. Nachzulesen in der 1. Nummer der Zeitung Schwarze Katze. Es gab immer wieder Versuche von Gewerkschaftsseiten und aus der SPD, einzelne Gruppen aus der Koordination herauszubrechen.

Der erste eigene Laden

Sobald der Laden hergerichtet war, begann die Schwarze Katze mit dem Erwerbslosenfrühstück, für das auf den Ämtern geworben wurde. Der erste Schritt war die gegenseitige Hilfe, das hieß, gemeinsam aufs Amt zu gehen und die Ansprüche durchzusetzen. Auf dem Frühstück gab es Tipps und Tricks für den Ämteralltag. So wurde alleine das Flugblatt Stellt Zusatzanträge für Bekleidung über 50 000 mal auf den Sozialämtern verteilt. Getragen wurde das Frühstück hauptsächlich von der Sozi- und der Arbeitslosengruppe. Außerdem wurden Daten über besonders üble Sachbearbeiter gesammelt, um dann gezielt gegen sie vorzugehen. Die Schwarze Katze wollte ansprechbar für andere sein und warb dafür offensiv. Wir wollten nicht nur Tipps weitergeben, sondern lernen, was andere für Erfahrungen gemacht haben. Wir machten uns selber schlau und boten Schulungen zum Bundessozialhilfegesetz (BSHG) an. Der Zuspruch war sehr groß, da auch dafür auf den Ämtern geworben wurde. Menschen, die an der Schulung teilnahmen leiteten dann später selbst welche, weshalb nicht immer dieselben Menschen diese Aufgabe übernehmen mussten. 

Darüber hinaus richtete die Jobbergruppe einen offenen Abend ein, um auch einen Treffpunkt zu haben für Menschen, die arbeiten mussten. Den Jobbern ist es allerdings nie gelungen, eine kontinuierliche, dauerhafte Praxis im Bereich Arbeit und Jobberei zu entwickeln. Es gab immer wieder einzelne Interventionen, so bei Libri, einer Buchauslieferung in Hamburg, wo Leute von uns arbeiteten. Da wurden Flugblätter verteilt. Auch bei der Post, wo mehrere von uns während des Weihnachtsgeschäfts malochten, ist es nicht zu einer organisierten Alltagspraxis im Sinne eines Kampfes gegen die Arbeit in der Arbeit gekommen. Es gab praktische Aktionen gegen Leiharbeitsfirmen, im Rahmen einer Kampagne gegen Sklavenhändler zusammen mit anderen Gruppen. Was häufiger vorkam war das gemeinsame Eintreiben von nicht gezahlten Löhnen. Außerdem wurde der Streik zur 35-Stunden-Woche durch Flugblätter und Besuche bei den bestreikten Betrieben unterstützt, und es wurde sich mit dem Kampf der Stahlarbeiter in Duisburg-Rheinhausen solidarisiert. 

Weitere Gruppen

Daneben entstanden noch andere themenbezogene Gruppen. Weil jemand von uns in den Knast musste, bildete sich eine Knastgruppe, es gab eine Gruppe, die im Hamburger Hafen eine militante Untersuchung durch führte (erste Ergebnisse zur HDW Werftbesetzung waren in der ersten Nummer der Schwarze Katze nachzulesen), eine Internationalismusgruppe, die aber nach kurzer Zeit den Laden verlies, eine Antifagruppe, nachdem die Hamburger Liste Ausländerstopp versucht hatte, auf den Ämtern zu mobilisieren, eine zu Mieten und Wohnen und später eine Frauengruppe sowie eine von Umschülern und eine zur Erwerbsunfähigkeit. Da die alltäglichen Auseinandersetzungen und die Praxis der Schwarzen Katze auch dazu führten, dass man mit der Staatsmacht in Konflikt geriet, bildete sich eine Gruppe zur sozialen Kontrolle, die sich  mit dem Knast, wie auch der Polizei beschäftigte. Sie machte zum Beispiel Schulungen zum Aufbau der Polizei auf einer Demonstration, zum Verhalten bei Festnahmen oder zur Rechtmäßigkeit von Personalienkontrollen und setzte sie sich mit den Techniken der staatlichen Kontrolle auseinander, Daten wurden auch damals schon reichlich gesammelt. Dazu kam noch, dass die Schwarze Katze in den einschlägigen Medien von Springer als Vorfeldorganisation von Terroristen diffamiert wurde, und ohne Zweifel hat sich die politische Polizei und der Verfassungsschutz für die Schwarze Katze interessiert. Ergänzt wurden die Gruppen durch das wöchentliche Plenum in der Balduinstraße, auf der alle Entscheidungen besprochen wurden, die in den Gruppen anstanden (siehe dazu Prinzipien der Schwarzen Katze). Neben dem Plenum gab es das Sonntagsessen. Dort wurde zusammen gekocht und dort war Zeit, Themen, die auf dem vollgepackten Plenum zu kurz kamen, ausführlicher zu diskutieren. Es war auch eine Möglichkeit, ein wichtiges Thema vorzubereiten und dort zu besprechen. Das reichte von aktuellen Entwicklungen in Südafrika oder Italien über die Geschichte und Hintergründe von Arbeitskämpfen bis zur letzten Anschlagserklärung der RAF.

Natürlich haben die offenen Strukturen zu Konflikten und Auseinandersetzungen mit den allgegenwärtigen sexistischen, homophonen oder rassistischen Denk- und Verhaltensweisen geführt. In aller Regel ist darauf nicht mit dem sofortigen Rausschmiss reagiert worden, sondern mit heftiger Konfrontation und Debatte. Mit Massenopportunismus und falscher Toleranzen hatte das ganz und gar nichts zu tun, wohl aber mit der konsequenten Auseinandersetzung innerhalb der Klasse. Die  Schwarze Katze hat sich ganz bewusst und gezielt dem Spagat zwischen tatsächlicher Selbstorganisation und linksradikalem Anspruch ausgesetzt. Dem Spagat zwischen sozialer Arbeit und revolutionärer Politik.

Zu den Prinzipien der Schwarzen Katze

Zu den Prinzipien der Schwarzen Katze gehörte es, auf dem Plenum zu gewährleisten, das sich die einzelnen Aktivitäten der einzelnen Gruppen sinnvoll aufeinander beziehen. Alles, was die gesamte Initiative betrifft oder Äußerungen derselben nach außen mussten über das wöchentliche Plenum gehen. In der Regel wurde auf dem Plenum zunächst ein Vorschlag von einer Person oder aus einer Gruppe vorgetragen, anschließend wurde er dann in den einzelnen Gruppen diskutiert, um dann auf dem nächsten Plenum entschieden zu werden. Dabei wurde grundsätzlich nicht abgestimmt, sondern die Sachen ausdiskutiert. Das war sehr wichtig, weil sich vieles erst aus den Widersprüchen weiterentwickelt. Wenn zwei Vorgehensweisen vorgeschlagen wurden, musste man eben beides ausprobieren. In der Praxis zeigte sich dann, was die richtige Herangehensweise war. Auch unterschiedliche Ansichten theoretischer Natur wurden nicht als Übel betrachtet. Es war nie das Ziel der Schwarzen Katze, das alle so lange miteinander diskutieren, bis alle einer Meinung sind, sondern es wurde immer versucht, die Diskussionen weiterzuentwickeln. Wobei das Primat der Praxis im Vordergrund stand und es nie darum ging, ein neues Programm zu entwerfen, mit dem wir allen anderen den Weg zur Weltrevolution weisen könnten.

Genauso wichtig war es für die Schwarze Katze, dass sie sich selbst finanzierte. Die Miete und alle sonstigen Kosten wurden von den Leuten aufgebracht, jeder so viel er konnte. Wichtig war, dass das Geld regelmäßig kam, damit die Gruppe, die gerade für die Kasse verantwortlich war, nicht dem Einzelnen hinterher laufen musste. Wenn es dann doch mal nicht reichte, wurde auf dem Plenum darüber gesprochen, was zu tun ist. Außerdem gab es bei den offenen Terminen Spendenbüchsen, mit denen Geld für den Laden und das Frühstück gesammelt wurde. Gelegentlich versuchte die Schwarze Katze auch an öffentliche Gelder zu kommen, aber nur, wenn sie nicht mit politischen Auflagen verbunden waren. Für größere Sachen, wie die Ausweitung in andere Stadtteile oder der Internationale Block zum 1.Mai, wurden Konzerte veranstaltet auf dem alle Künstler umsonst auftraten oder es wurde versucht für ein konkretes Projekt Geld bei Leuten einzuwerben, die gut verdienten. Wichtig war dabei, die Unabhängigkeit zu wahren und nicht durch Staatsknete erpressbar zu sein. Die gibt es nicht umsonst und schafft neue Hierarchien die nicht gewollt waren.

Ein weiteres wichtiges Prinzip war das der Schulung. Aus der Selbstdarstellung der Schwarzen Katze: 

„Vorraussetzung, um mit uns zu kämpfen zu können, ist die Bereitschaft zu lernen und noch mal zu lernen. Wir können aus der Geschichte lernen. Wir müssen uns das Wissen um das Funktionieren dieser Gesellschaft neu aneignen. Da wird jeder gebraucht mit seinen Fähigkeiten. Wir müssen lernen unserer Wissen weiterzugeben. Es nützt uns nichts, irgendwann mal etwas gelernt zu haben, wenn wir auf unserem Wissen wie eine Glucke sitzen. Nur wenn wir unsere Erfahrungen und Wissen gegenseitig weitergeben, werden wir auch aus den Kämpfen anderer lernen und sich unsere Kämpfe und Vorstellungen verbreitern.“ Das vollständige Ausnutzen der sozialen Hängematte setzte umfangreiches Wissen und Beratung voraus. Was kann beantragt werden? Welche Angaben sollte man besser nicht gegenüber dem Amt machen. Wie lege ich Widerspruch oder Klage ein. Welche Tipps und Tricks gab es. Dieses und vieles mehr waren die Themen beim Frühstück oder bei Schulungen, die angeboten wurden, genauso wie unzähliger Flugblätter die bis 1992 verteilt wurden.

Ein weiteres Prinzip der Schwarzen Katze war die internationale Solidarität. Man sah sich als Teil einer weltweiten multinationalen Arbeiterklasse. Ein großes Augenmerk hatte die Schwarze Katze auf alle Formen des staatlichen Rassismus, der sich in den Ausländergesetzen  und auf den Ämtern sowie in den Lagern für Asylsuchende zeigte. Dem wurde eine praktische Solidarität entgegen gesetzt.

Phase 2: Ausweitung 1984/85/86

Nach langer Diskussion entschließen sich ein paar Leute aus der Schwarzen Katze, zusammen mit neuen Leuten eine neue Stadtteilgruppe in Hamburg Barmbek zu gründen. An der Diskussion nahmen auch Leute aus Bergedorf teil, um auch dort eine Erwerbslosen- und Jobbergruppe zu gründen.

Der 1. Mai war wieder ein Höhepunkt des Jahres. Mit Flugblättern und Plakaten wurde für einen eigenen Internationalen Block geworben, gemeinsam mit anderen linken und einigen türkischen Gruppen. Schwerpunkt des eigenen Blocks war die Thematisierung der Vereinzelung vieler Menschen unter den jetzigen Bedingungen des Kapitalismus sowie die Durchsetzung eines garantierten Einkommens für Erwerbslose und Jobber. Wichtig war der eigene Block, weil eine Organisierung von Arbeitslosen in vielen Gewerkschaften nicht möglich war. So vertrat der damalige Chef der IG Metall, Steinkühler, die Auffassung, das Arbeitslose am besten bei Kirchen oder Sozialverbänden aufgehoben seinen. Nachdem der DGB-Zug loszog, wurde dem Internationalen Block der Zugang durch eine Polizeikette, mit der Begründung eine unangemeldete Demo zu sein, versperrt. Da wir auf der Antikriegsdemonstration im September davor mit der Polizei schlechte Erfahrung gemacht hatte, wollten wir nicht tatenlos zu sehen. Deshalb drängten wir die Bullenkette zur Seite. Durch diese Aktion geriet die DGB-Demonstration, die an uns vorbeizog durcheinander, woraufhin die DGB-Ordner versuchten, uns wieder aus der Demonstration zu drängen. Dies konnte mit Unterstützung von Gewerkschaftern verhindert werden. In den nächsten Jahren versuchte der DGB, ohne offene Polizeigewalt den Internationalen Block auszutricksen. Trotzdem stellten die  Erwerbslosen und Jobber auch in den nächsten Jahren die größte Personengruppe auf dem Internationalen Kampftag der Arbeiterklasse.

Gründet ein zwei viele Jobber  und Erwerbsloseninitiativen

Das Jahr 1985 stand ganz im Zeichen der  Ausweitung der Stadtteilgruppen. Wir wollten keine Zentrale der Bewegung und wollten raus aus dem Szenegetto. „Unser Traum wäre es, wenn es in jedem Stadtteil, einen oder mehrere Läden gäbe. Wenn  sich Leute die sich in der gleichen Situation befinden, sich zusammentun, um sich solidarisch zu anderen, gegen ihre Unterdrückung zu wehren. Das kann in Stadtteil-, in Betriebsgruppen, Jugendgangs oder Rentnerkollektiven sein.“ So hieß es in einer Selbstdarstellung von 1988. Im April 1985 fand ein großes Fest auf Kampnagel statt.  Dort sollte zum 1. Mai mobilisiert werden, wo es wieder  einem eigenen Block zusammen mit anderen Initiativen und ausländischen Organisationen auf der DGB-Demonstration geben sollte. Dort sollte aber auch Geld für den Aufbau neuer Läden gesammelt werden. In der Phase entstanden neue Initiativen in Bergedorf, Barmbek und Harburg. 

Im Mai fanden in Hamburg die Zentralen Aktions- und Konferenztage (ZAK) statt. Nach dem 1. Arbeitslosenkongress 1982 war der bundesweite Austausch fast wieder zum erliegen gekommen. Daher wurde im Rahmen der Koordination Hamburger Erwerbslosengruppen der Vorschlag zu den ZAK entwickelt. Die  Schwarze Katze stand dem Vorschlag kritisch gegenüber, weil wir den Eindruck hatten, dass dort ein Wasserkopf aufgebaut werden sollte. Auch wurde der Ansatz als zu kurz gegriffen kritisiert, sich nur auf Arbeitslose zu beziehen. Die Schwarze-Katze-Gruppe traf sich bis 1985 in regelmäßigen Abständen mit anderen autonomen und unabhängigen Initiativen, danach nicht mehr, weil die inhaltlichen Widersprüche so groß waren, dass das von unserer Seite keinen Sinn mehr machte. Einige Gruppen kritisierten vor allem die Forderung nach einem Existenzgeld als nicht revolutionär, weil sie eine Forderung an den Staat und damit reformistisch sei. Stattdessen setzten sie auf das Konzept der militanten Untersuchung im Jobberbereich.

Auf dem Nachfolgetreffen von ZAK in Göttingen wurden unsere Befürchtungen bestätigt. Dort wurde von einigen versucht, eine feste zentrale Organisationsstruktur zu installieren – gegen den Willen der großen Mehrheit der Erwerbslosengruppen. Es kam zum Eklat, der aber nicht das Ende der bundesweiten Ansätze bedeutete. Es wurden themenbezogene bundesweite Arbeitsgruppen, die auch den 2. Bundeskongress der Initiativen gegen Arbeitslosigkeit und Armut, der im Juni 1988 stattfand, vorbereiteten. Die Beteiligung an den bundesweiten Strukturen war immer mit heftigen Auseinandersetzungen verbunden. Zu unterschiedlich waren sowohl die Ansätze der einzelnen Initiativen, als auch die Vorstellung davon, welche Rolle die bundesweite Struktur haben sollte. Von zentral organisiert, mit festen Stellen ausgestattet und regelmäßigem Ansprechpartner, bis zu dezentralen Strukturen war alles vorhanden. Auch die Frage, wie man es mit Gewerkschaften oder Parteien hält, war immer wieder ein Streitpunkt. Trotz der großen Unterschiede und der oft leidigen Diskussionen, nahm die Schwarze Katze an den bundesweiten Vernetzungstreffen teil, um auch dort ihre Inhalte stark zu machen. So verschwand der Begriff Arbeitsloseninitiative fast vollständig und wurde durch Erwerbsloseninitiative ersetzt. Auch die Forderung nach einem Existenzgeld erfreute sich breiter Zustimmung.

Nulltarif in allen Öffentlichen Einrichtungen

Seinen abschließenden Höhepunkt fand das Jahr 1984 mit den ersten Nulltarif-Aktionstagen der Koordination Hamburger Erwerbslosen- und Jobberinitiativen. Unter dem Motto Nulltarif in allen öffentlichen Einrichtungen und im Nahverkehr für alle Menschen mit geringen Einkommen, traf sich ein buntes Völkchen von 20, 30, 50 oder 80 Personen um gemeinsamen schwarzzufahren, besuchte ein Schwimmbad, ging in Theater oder ins Kino. In den nächsten Jahren 

(1985-1987) wurden die Tage dann auf eine Nulltarif-Aktionswoche ausgeweitet. Getreu dem Motto „Wir nehmen uns, was wir brauchen“, wurde auch der Hort der Hamburger Hochkultur besucht: die Oper. Nicht dass das von allen als Hochgenuss angesehen wurde. Es ging darum, selbst zu entscheiden, was man sich anschaut und dass nicht der Geldbeutel darüber entscheidet. „Tatsache ist das schon ein ganz stinknormaler Alltag für uns teuer wird“, hieß es in einem Flugblatt der Koordination. So wurden in den Aktionswochen besonders aufgefallene Sachbearbeiter besucht und sich anschließend in der Kantine ohne zu bezahlen gestärkt, es wurde immer wieder versucht, auf dem Arbeitsamt ein Informationsbrett für Arbeitslose durchzusetzen. Letzteres verschwand allerdings immer wieder nach unseren Besuchen, und auch Schrauben konnten daran nichts ändern. Zur Erholung wurde dann ein Konzert besucht. Selbstverständlich legte man alle Wege ohne Fahrschein zurück und verteilte dabei ein Flugblatt mit Tipps und Tricks zum Schwarzfahren, wie man zum Beispiel einen Kontrolleur erkennt. Wichtig war dabei, dass vorher in den Initiativen mit allen genau besprochen wurde, wie der Ablauf ist und wie auf das Auftauchen von Kontrolleuren oder der Polizei reagiert wird. Erstaunlicherweise verliefen diese Aktionswochen ohne allzu große Belästigung durch die Polizei. Der Besuch im Tierpark wurde zwar von Zivilpolizisten begleitet, sie unterbanden den Besuch aber nicht, dafür schickte uns der Tierparkdirektor dann später eine Rechnung zum Gruppentarif. Auch konnte der Eindruck entstehen das an diesen Tagen die Fahrkartenkontrolleure auf anderen Linien unterwegs waren. Das Interessante dabei war, dass diese Aktionstage/-woche und die damit verbundene Regelverletzungen von allen Initiativen mitgetragen wurden und sich auch aktiv beteiligt wurde. Klar wollten die Einen lieber ins Udo-Lindenberg-Konzert, die Anderen fanden die Oper toll und wieder Andere das Schwimmen schön. Die Breite der beteiligten Gruppen hat sicher dazu beigetragen, dass sich die Staatsgewalt zurückhielt, und sicher auch die breite öffentliche Unterstützung, die es gab, zum Beispiel vom Chef des Schauspielhauses, Peter Zadek, der erklärte, dass er sich dafür einsetzen werde, dass wir zukünftig Karten umsonst bekommen sollten. Später wurden die Karten zunächst für eine Mark und nach einer Weile für zwei Mark abgegeben.

Bis Ende der 90er Jahre gab es immer wieder solche offenen und direkten Aneignungsaktionen, nicht nur an den Aktionstagen. So trafen sich in der Balduinstraße regelmäßig Menschen, um ins Kino zu gehen, ohne zu bezahlen. 

86 entstand ein weiterer Laden in Osdorf und nach einigen Diskussionen und auch aus Platzmangel in der Balduinstr. wurde ein Zentrum für gemeinsames Lernen und Handeln mit angeschlossener Bücherei eröffnet.

Wir wollten unabhängig von bereits bestehenden Gruppen ein Zentrum schaffen, in den wir uns gegenseitig erworbene Erfahrungen, Fähigkeiten und Wissen vermitteln. Im Zentrum sollte versucht werden, die Selbstorganisation der Betroffenen zu unterstützen und voranzubringen. 

Die  Bücherei hat später noch lange Jahre als Hamburger Studienbibliothek in anderen Räumen weiter gemacht.

Die Struktur war in allen neuen Stadtteilgruppen fast gleich, Das größte Problem war ganz banal, Räume zu finden, die von den Gruppen getragen werden konnten und nicht an irgendwelche Auflagen gebunden waren. Alle hatten ihre offenen Termine und das wöchentliche Plenum. Dazu kamen aber spezifische Angebote. So wurde durch die Zank (Zweiradaktionsgruppe) eine Zweiradwerkstatt eingerichtet, die Initiative in Dulsberg betrieb eine Nähwerkstatt, die Bergedorfer trafen sich in einem selbstverwalteten Jugendzentrum und beteiligten sich ebenfalls daran. Wegen der neuen Stadtteilgruppen musste eine neue Struktur her, damit war der Gesamtzusammenhang geboren. Es gab alle zwei Wochen ein Gesamtinitiativen-Plenum, auf dem nach Möglichkeit aus jeder Stadtteilgruppe jemand vertreten sein sollte. Zur besseren Information aller wurde ein Initiativenrundbrief ins Leben gerufen, in dem für alle nachvollziehbar, die Ergebnisse des letzten sowie die offenen Punkte für das nächste Plenum abgedruckt waren.

Unter dem Titel gemeinsam kämpfen, begann die Arbeitsgruppe Ausländerpolitik gemeinsam mit ausländischen Gruppen mit einer Intervention auf dem Sozialamt Billstedt. Dem schloss sich eine erste Aktion auf der Ausländerbehörde an. Ziel war es auch hier, eine Ämterpraxis zu entwickeln, wie auf dem Sozial- oder Arbeitsamt. Bei der zweiten Aktion im Februar 1987 mit 150 Leuten in der Ausländerbehörde kam es zu einem massiven Polizei-Einsatz, der das gemeinsame Antragsstellen  sofort unterband. Es wurden einzelne Antragsteller und ihre Begleiter in den Büros festgenommen. Gleichzeit ging die Polizei brutal gegen die Menschen auf dem Flur vor (ausführlicher in Schwarze Katze Nr. 4). Leider ließ sich in der Ausländerbehörde eine Ämterpraxis nicht gegen die Staatsgewalt durchsetzen, was sicher auch damit zu tun hatte, dass gerade Menschen, die im Asylverfahren waren und sich an diesen Aktionen beteiligten, bei Festnahmen auch immer die Abschiebung drohte. Gut entwickelte sich die das internationale Café, auf dem es um Austausch und Information ging. Es wurde eine eigene Broschüre für Asylbewerber auf dem Sozialamt erstellt, aber wichtiger war, dass Betroffene direkt zusammenkamen, um einen gemeinsamen Widerstand aus ihrem Alltag zu entwickeln.

Zu einem Höhepunkt entwickelte sich auch die gemeinsame Urlaubsreise im Sommer 1987 ins Baskenland. Wie schon die Jahre davor in Frankreich oder auf Reisen in die DDR.“ So wie wir unseren Alltag und Widerstand gemeinsam organisierten, wollten wir auch gemeinsam unseren Bauch in die Sonne strecken.“ Zu den Vorbereitungen gehörte auch, dass geschaut wurde, wie die Menschen mit weniger Geld trotzdem mitfahren konnten. Deshalb stellten die Einen einen Antrag beim Sozialamt, während Andere bedauerlicherweise einen Haftpflichtschaden hatten. So wurde sichergestellt, dass niemand nur wegen fehlendem Geld nicht mitfahren konnten.

Das Jahr 1988 stand ganz im Zeichen des 2. Bundeskongresses der Initiativen gegen Arbeitslosigkeit und Armut. Trotz der zeitaufwändigen vielen bundesweiten Treffen blieb noch Zeit für Aktivitäten in Hamburg. So gab es im Rahmen von Aktionstagen, auf denen für den Bundeskongress geworben werden sollte und die Abschaffung der Bedürftigkeitsprüfung gefordert wurde, einen harten Kampf auf dem Sozialamt Billstedt. Da bei der ersten Aktion der Infotisch von der Polizei abgeräumt wurde, sah man sich gezwungen, einen Monat später wieder dort aufzutauchen. Es gab mehrere Festnahmen und damit verbundene Strafverfahren, wegen Hausfriedensbruch, Widerstand und natürlich Körperverletzung. Die Kosten wurden alle aus einem Solidaritätsfond beglichen, so dass niemand darauf sitzen blieb. Danach war es möglich, nach vorheriger Anmeldung, zeitlich befristet einen Infotisch zu machen.

Vom 17.6 bis zum 19.6.1988 fand der 2. Bundeskongress unter dem Motto wir kämpfen um das, was wir brauchen in Düsseldorf statt. Der Kongress versuchte die Ergebnisse der bisherigen Arbeit in den verschiedenen Initiativen zu konsolidieren. Es sollte nach außen ein geschlossenes Bild vermittelt werden. Das ging aber nur zu Lasten, selbstkritischer und phantasievoller Positionen und Aktionen. War der 1. Kongress noch getragen von Aufbruch, so standen jetzt die Zeichen auf Professionalisierung und zunehmendem Einfluss von Großorganisationen. Ein Ergebnis war eine bundesweite Kampagne gegen die Bedürftigkeitsprüfung. Die Vorbereitungsstrukturen wurden auf dem Kongress bestätigt. Ausgehend von einer Arbeitsgruppe auf dem Kongress wurden die Bundesarbeitsgruppen um eine zur multinationalen Zusammenarbeit erweitert.

Es gründete sich noch eine Arbeitsgruppe in dem Jobberzusammenhang, die Arbeitsgruppe staatlicher Arbeitsmarkt. In ihr sollten die  Diskussionen, die in der Vorbereitung und auf dem Kongress geführt wurden, weiter mit neuen Betriebsgruppen fortgeführt werden. 

Alltagskämpfe im Großstadtdschungel

Im Laufe der Jahre sind mehrere hunderte Menschen durch die Einrichtungen der Jobber- und Erwerbsloseninitiativen gegangen. Einige blieben länger, andere nur kurz oder kamen zu konkreten Anlässen oder zum Frühstück, wenn sie Probleme hatten. Andere gingen in Projekte im Umfeld der Schwarzen Katze, in einen alternativen Buchladen etwa, andere gründeten eine Foot Coop und wieder andere bauten an einem Tagungshaus vor den Toren Hamburgs. 

1990/91 wurde der Gesamtzusammenhang der Erwerbslosen und Jobber offiziell für aufgelöst erklärt.

Die Gründe dafür sind vielfältig, eine gemeinsame Aufarbeitung der Erfahrungen fehlt bis heute. Ein wichtiges Moment war sicher das Verschwinden der organisierten Erwerbsloseninitiativen, innerhalb eines Jahres verschwanden mehr als die Hälfte der Gruppen aus der Koordination, andere wurden von sich damals etablierenden Beschäftigungsträgern übernommen. Dadurch kam es auch zu einem veränderten Fokus. Es stand nun mehr die Beschäftigung im Vordergrund und nicht mehr die Kritik daran. Da eine abschließende Aufarbeitung der Schwarzen Katze noch aussteht, hier nur ein paar Bemerkungen zur Schwarzen Katze. Auch sie blieb von Rückzug beziehungsweise Neuorientierung vieler langjähriger Mitstreiter nicht verschont. Wobei es sicher damals schwierig war, sich dauerhaft als Erwerbsloser zu organisieren, wer möchte denn schon gerne dauerhaft arm bleiben und es zeichnete sich auch nicht ab, dass das System insgesamt in Bälde zu stürzen sei. Außerdem hatten sich die Rahmenbedingungen in den sozialen Sicherungssystemen verändert. Beispielsweise wurden von der Hamburger Sozialverwaltung nun einmalige Leistungen pauschal bezahlt, weshalb ein Teil unserer Mobilisierung nun ins Leere lief. Dazu kam, dass erst der Laden in der Balduinstraße vom Vermieter wegen angeblicher Baufälligkeit und später auch dem Schulungszentrum gekündigt wurde. Die Gruppe aus Bergedorf hatte sich ebenfalls aufgelöst. Als letztes schloss 1992 der Laden in Hamburg-Nord. Einige Arbeitsgruppen trafen sich weiterhin. Aus der Arbeitsgruppe staatlicher Arbeitsmarkt ging die Gruppe Blauer Montag hervor. Andere waren noch in der Bundesarbeitsgruppe  Multinationale Zusammenarbeit aktiv und organisierten 1995  den „Itaca-Kultur Kongress„ in Hamburg.

So waren die Jobber und Erwerbsloseninitiativen sicherlich ein Beispiel dafür, dass Erwerbslose nicht organisiert werden wollten, noch weniger betreut werden wollten, aber sehr wohl in der Lage waren sich selbst zu organisieren.

Es gilt aber immer noch was auf dem ersten Bundeskongress formuliert wurde:„Wenn das System in seiner heutigen Form die Sicherung unserer Existenz nicht aushält, dann muss es verändert werden!“

Zum weiterstöbern empfohlen:

1.Bundeskongress der Arbeitslosen, Fachhochschulverlag Frankfurt am Main 1983

2.Bundeskongress gegen Arbeitslosigkeit und Armut, Fachhochschulverlag Frankfurt am Main 1988

Erwerbslose sind auf ZAK Eigenverlag Hamburg 1985

Grosse Freiheit Hamburg Mai/Juni 1982 Nr. 50/51

Schwarze Katze Zeitung Nr.1-5  1984 -1988

Dokumentation Flugblätter der Erwerbslosen- und Jobber-Bewegung März 1982- Juni 1988

Mit Knüppeln und Paragraphen gegen die Armut Dokumentation zu den Ämtertagen in Billstedt.

Dokumentation der Koordination Hamburger Erwerbslosen- und Jobberinitiativen Juli 1989

Karlsruher Stadtzeitung Nr.26.- 38 von 1982 -1985, danach Wildcat ab Nr. 36