Prekarisierung, Sozialer Streik und Gutes Leben

Von den Kämpfen gegen prekäre Arbeits- und Lebensbedingungen über den Sozialstreik zu einem guten Leben!

In diesem Verknüpfungsschwerpunkt geht es hauptsächlich darum, Ansatzpunkte gemeinsamer Widerständigkeit in den Bereichen Armut, Erwerbslosigkeit und prekäre Beschäftigung zu finden, sowie Alternativen zur Lohnarbeit und der daran anschließenden Sozialpolitik aufzuzeigen. Dabei sind aktuelle und frühere Erfahrungen verschiedener Bewegungen für uns maßgebend. Wir beziehen uns u.a. auf die Jobber*innen- und Erwerbslosenbewegung, die MayDay-Aktivitäten, die Aktionen und Debatten der „Transnational Social Strike“ Plattform und auf aktuelle Kämpfe gegen prekäre Arbeits- und Lebensbedingungen.
Alle diese Beispiele versuchen nicht nur in ihrem Arbeitsfeld Verbesserungen zu erreichen, sondern sahen und sehen in den Verknüpfungen verschiedener Kämpfe die Grundlage für eine breitere Bewegung gegen Lohnarbeit und für ein gutes Leben.
Bereits frühzeitig strebten Jobber*innen und Erwerbslosenbewegung, orientiert an der eigenen sozialen Situation, die Vereinheitlichung verschiedener Widerstandsformen an (Beratung, Streik, Besetzung). Ausgehend von der Kritik an der Zentralität der Lohnarbeit bestand einer der Hauptaufgaben im gemeinsamen Handeln von Erwerbslosen, Jobber*innen, Geflüchteten und Arbeitnehmer*innen. Aus diesen Kreisen entstand schließlich die Forderung nach einem Existenzgeld und später – aus der Analyse prekärer Arbeits- und Lebenswirklichkeit für einen Großteil der Bevölkerung – der Anspruch nach einem guten Leben.
Für kurze Zeit konnte mit den Euromaydays ab 2005 nicht nur eine Alternative zu den ritualisierten Mai-Kundgebungen des DGB organisiert werden, sondern es fand sich ein öffentlicher Ausdruck für Menschen, deren Leben und Arbeiten durch Unsicherheit geprägt waren. In anschließenden zwei Konferenzen unter dem Titel „Die Kosten rebellieren“ diskutierten Erwerbslose, Beschäftigte und Geflüchtete aus einer antirassistischen und migrantischen Perspektive ihre Arbeits- und Lebensrealitäten.
Inhaltliche Inspirationen erfolgte auch aus den Kontakten (entstanden aus den Blockupy-Aktivitäten) zu Aktiven des „Transnational Social Strike“-Zusammenschlusses, etwa dem internationalen Zusammenschluss von amazon-Beschäftigten, sowie dem Erfahrungsaustausch mit italienischen Kolleg*innen, in deren Kampffeldern der Ansatz Sozialstreik eine große Bedeutung hat.
Und schließlich nehmen die Kämpfe in prekären Beschäftigungsfeldern zu, sei es im Einzelhandel der Textilindustrie, im Pflegebereich oder der Gastronomie. Es lassen sich auch immer wieder erste Ansätze von Widerstand der mobilen Schicht von informellen und illegalisierten Arbeiter*innen und von Arbeitsemigrant*innen aus Europa erkennen, die sich meist um Auseinandersetzungen für freie Mobilität, erträgliches Einkommen, Wohnraum, Bildung, Gesundheit und „faire“ Jobs drehen.
Aus all diesen Kämpfen und Verbindungen wollen wir lernen, um über solidarische gegenseitige Unterstützungsformen gemeinsame Grundlagen zu schaffen, die eine Voraussetzung für ein gutes Leben darstellen.

Links und Texte:

Aktuelle Dokumentationen zu Kämpfen gegen prekäre Arbeitsbedingungen finden sich bei https://de.labournet.tv/ 

Die Plattform des Transnationalen Sozialen Streiks: https://www.transnational-strike.info 

„Das prekär-lab stellt sich vor“ – Papier über die Frankfurter prekär-lab Gruppe, Februar 2020

Bundesarbeitsgemeinschaft prekäre Lebenslagen (BAG-PLESA): Gutes Leben benötigt Existenzgeld 2019
http://www.bag-plesa.de/themen/Existenzgeld/Existenzgeld_2019.pdf

Jörn Boewe/Johannes Schulten: Der lange Kampf der amazon-Beschäftigten, Rosa-Luxemburg Stiftung 2019
https://www.rosalux.de/fileadmin/rls_uploads/pdfs/Analysen/Analysen57_Amazon.pdf 

Crossing arms, crossing fights – Das gute Leben erkämpfenRhein-Main 2015,

Ingrid Artus: Prekär und widerständig, in: Luxemburg April 2015
https://www.zeitschrift-luxemburg.de/prekaer-und-widerstaendig/

Michael Fütterer/Markus Rhein: Erneuerung geht von unten aus, Rosa-Luxemburg Stiftung 2015
https://www.rosalux.de/fileadmin/rls_uploads/pdfs/Analysen/Analysen21_H_M.pdf


Thilo B.: Rückblick auf die Geschichte der Erwerbslosen- und Jobber initiativen Schwarze Katze in Hamburg, in: Harald Rein (Hg.): 1982-2013 Dreißig Jahre Erwerbslosenprotest 2. erweiterte Auflage 2014 Neu-Ulm

Harald Rein: Nach den Sternen greifen, ohne das Essen zu vergessen!, in: Bundesarbeitsgemeinschaft der Erwerbslosen- und Sozialhilfe-Initiativen (Hg.): Existengeld Reloaded, 2008 Neu-Ulm
http://www.bagshi.org/ 

Die Kosten rebellieren 2006 und 2004:

http://archiv.labournet.de/diskussion/arbeit/realpolitik/prekaer/materialien1.html

http://archiv.labournet.de/diskussion/arbeit/aktionen/2006/vorschlaege210106.html

Die Putzfrau war präsent, aber wie sieht sie aus? Interview mit den Organisator*innen des Hamburger Euromaydays 2006, in: analyse und kritik Nr. 504, 17.03.2006
https://www.akweb.de/ak_s/ak504/18.htm

Prekäres Leben-prekäre Kämpfe, Gruppe Blauer Montag, in: analyse und kritik Nr. 485, 18.06.2004
https://www.akweb.de/ak_s/ak485/13.htm