Viele, die für das Grundeinkommen streiten, sind lokal und überregional in verschiedenen Projekten für ein anderes, ein besseres Leben engagiert – so zum Beispiel in Projekten solidarischer Ökonomie, in Erwerbsloseninitiativen gegen Hartz IV, in Aktionen und Initiativen für eine nachhaltige ökologische Entwicklung, in Initiativen für die Sichtbarmachung und geschlechtergerechte Verteilung der Carearbeit. Das Netzwerk Grundeinkommen selbst ist dabei auf die Vernetzung verschiedener Akteure und die Stärkung des Diskurses zum Grundeinkommen und damit verbundener Themen orientiert.
Bild: Stan Jourdan/CC-BY-SA 2.0
Was ist das Netzwerk, was will das Netzwerk?
Das Netzwerk Grundeinkommen ist ein Zusammenschluss von Einzelpersonen, Organisationen und Initiativen mit dem Ziel, ein bedingungsloses Grundeinkommen für alle Menschen einzuführen,
– das existenzsichernd ist und gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht,
– auf das ein individueller Rechtsanspruch besteht,
– das ohne Bedürftigkeitsprüfung und
– ohne Zwang zu Arbeit oder anderen Gegenleistungen garantiert wird.
Das Grundeinkommen soll dazu beitragen, Armut und soziale Notlagen zu beseitigen, den individuellen Freiheitsspielraum zu vergrößern sowie die Entwicklungschancen jedes einzelnen und die soziale und kulturelle Situation im Gemeinwesen nachhaltig zu verbessern.
Wir wollen die Diskussion verschiedener Grundeinkommensmodelle unter Berücksichtigung der oben erwähnten vier Kriterien fördern. Wir sind modellneutral, an keine Partei oder Konfession gebunden. Wir führen die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit politischen Entscheidungsträgern, Wirtschafts- und Sozialverbänden, Gewerkschaften, sozialen Bewegungen und anderen relevanten Organisationen. Zugleich unterstützen wir die wissenschaftliche Debatte zum Grundeinkommen und den damit zusammenhängenden Fragen. Ziel unseres Netzwerks ist es, das Grundeinkommen in einem möglichst breiten gesellschaftlichen Bündnis einzuführen. Um dieses Ziel zu erreichen, kooperieren wir mit Wissenschaftler*innen, verschiedenen sozialen Bewegungen wie Care Revolution und der Degrowth-Bewegung sowie mit christlichen und gewerkschaftlichen Initiativen. Wir sind Partnerorganisation von Basic Income Earth Network (BIEN) und Mitglied beim Netzwerk Unconditional Basic Income Europe (UBIE).
Wie arbeitet das Netzwerk Grundeinkommen?
Wir nutzen verschiedene Möglichkeiten, um das Grundeinkommen in die gesellschaftliche Diskussion zu bringen – öffentliche Diskussionsveranstaltungen und wissenschaftliche Kongresse, Web- und Facebookseiten, Events im öffentlichen Raum, z. B. Plakataktionen, Bodenzeitung bis hin zu Demonstrationen, sowie durch Broschüren, Flyer usw.
Bild: Netzwerk Grundeinkommen
Die größte Herausforderung in Deutschland und anderen Ländern hinsichtlich der Durchsetzung des Grundeinkommens sind tiefsitzende Ressentiments gegenüber einer selbstbestimmten Arbeits- und Lebensweise und demokratischen Partizipation auf der Grundlage eines bedingungslos gesicherten Lebens. Sicher spielen auch Machtfragen eine wichtige Rolle – sowohl im politischen wie im privaten Kontext. Wer materiell unerpressbar ist, ist weniger beherrschbar.
Bedeutsam sind dabei auch ganz konkrete Gerechtigkeitsfragen, so zum Beispiel: Ist es gerecht, dass jeder Mensch, unabhängig von seinem Tun, den bedingungslosen Anspruch auf eine ausreichende Existenzsicherung und auf die Möglichkeit der Teilhabe in allen gesellschaftlichen Bereichen hat, einfach weil er Mensch ist?
Neben Gerechtigkeitsfragen stellen sich aber auch ganz konkrete arbeits- und sozialpolitische Fragen: Was ist für das gute Leben aller notwendig? Wie kann notwendige Arbeit, bezahlte wie unbezahlte, gesellschaftlich organisiert werden, geschlechtergerecht, solidarisch und ohne materielle Erpressung, sprich Arbeitszwang? Wie müssen die Sozialsysteme rund um das Grundeinkommen ausgestaltet sein, um zum Beispiel für alle eine ausreichende Gesundheitsvorsorge und -versorgung zu sichern? Wie steht das Grundeinkommen zu öffentlichen, sozialen Infrastrukturen? Welche grundlegenden steuerpolitischen Neuorientierungen sind notwendig und können mit dem Grundeinkommen verbunden werden? Wie stehen Grundeinkommenskonzepte zu den ökologischen und Klimaherausforderungen, zur Migrationsfrage usw. usf.
Grundeinkommensbewegung und andere soziale Bewegungen
Die Grundeinkommensbewegung, auch das Netzwerk Grundeinkommen, hat großes Interesse an der Verständigung mit anderen sozialen Bewegungen.
Da wäre als erstes die unabhängige Erwerblosenbewegung pro Existenzgeld zu nennen. Nicht nur, dass Vertreter*innen dieser in Deutschland ältesten Bewegung fürs Grundeinkommen Gründungsmütter und -väter des Netzwerks Grundeinkommen waren. Auch wurde das Netzwerk Grundeinkommen an dem Tag gegründet, an dem im Bundesrat endgültig der Weg zur Einführung von Hartz IV freigemacht wurde. Die geplante Einführung von Hartz IV war eine starke Motivation für die Aktivitäten pro Grundeinkommen und für die Gründung des Netzwerks. Die Erwerbslosenaktvist*innen hatten daran mit ihrer Kritik der Lohnarbeit und des bestehenden Sozialstaats einen großen Anteil.
Wir haben weiterhin im Projekt „Degrowth in Bewegung(en)“ mitgearbeitet und mit der Degrowth-Bewegung über Schnittmengen der politischen Ziele und insbesondere über sich gegenseitig befördernde Ansätze diskutiert – diese finden sich zusammengefasst auch in diesem Beitrag. Allen Beteiligten ist klar, dass eine nachhaltige sozialökologische Transformation nicht ohne eine nachhaltige, für uns bedingungslose, soziale Absicherung der Menschen möglich ist. Wie umgekehrt eine nachhaltige soziale Absicherung aller Menschen nicht ohne eine ökologische Wende möglich ist, die die natürlichen Grundlagen des Lebens und Arbeitens erhält und dem Klimawandel Einhalt gebietet.
Wir haben jahrelange gute Verbindungen auch in die feministische Bewegung. Deren Debatten über zukünftige Arbeits- und Sozialpolitiken berühr(t)en auch immer wieder das Thema Grundeinkommen. Viele in der Grundeinkommensbewegung vertreten die Auffassung, dass die Fokussierung auf Erwerbsarbeit viele notwendige Tätigkeiten ausblendet – ohne die die Menschen und Gesellschaft nicht existieren könnten. Wie kann das Grundeinkommen dafür sorgen, dass diese Tätigkeiten gefördert und solidarisch sowie geschlechtergerecht verteilt werden? Ein gemeinsames Projekt mit dem in der feministischen Bewegung verankerten Netzwerk Care Revolution war zum Beispiel die Veranstaltung „Care-Revolutionieren mit Grundeinkommen?“ und die Erarbeitung einer informativen Broschüre mit unterschiedlichen Beiträgen zu diesem Thema.
Die Verbindung zwischen Grundeinkommen und den Themen Stadtteilorganisation, Stadt und Dorf verwandeln, Urban Gardening, solidarische Ökonomie usw. ergibt sich aus der Beförderung von Zeitsouveränität durch das Grundeinkommen, ebenso aus der bedingungslosen materiellen Absicherung der Menschen für partizipatorisch-demokratisches Engagement im sozialen und ökonomischen Nahbereich, in der Öffentlichkeit und in der Wirtschaft. Diese Verbindung ergibt sich auch für diejenigen in der Grundeinkommensszene, die in oben genannten Projekte engagiert sind. Problematisiert wurde diese Verbindung zum Beispiel durch Elisabeth Voß. In eine sich gegenseitig befördernde Beziehung gesetzt wurden diese beiden Ansätze zum Beispiel durch André Gorz, der für die Verbindung von Freiräumen für selbstorganisierte Aktivitäten und Grundeinkommen plädierte, sowie von Erik Olin Wright, der für eine Demokratisierung der Gesellschaft und Wirtschaft und ein Grundeinkommen plädierte.
So wie die Grundeinkommensthematik lokale und nationale Entwicklungen berührt, wird über das Grundeinkommen als Globales Soziales Recht gemeinsam mit anderen zivilgesellschaftlichen Akteuren nachgedacht und diskutiert. Dabei wird das Grundeinkommen als ein den globalen Rechten hinsichtlich Arbeit, Gesundheit, Kultur, Bildung, politischer Teilhabe usw. gleichwertiges soziales Recht diskutiert. Dazu gab es auch eine Positionierung des Netzwerkrates.
In den letzten Jahren wurde verstärkt über das Thema Grundeinkommen und Digitalisierung diskutiert. Unterschiedliche Akteure aus der Grundeinkommensbewegung und Digitalisierungsexpert*innen nahmen und nehmen dazu Stellung (z. B. in diesem Buch oder in diesem Beitrag). Die Debatten sind eröffnet und müssen weitergeführt werden. Grundsätzlich geht es darum, die Chancen der Digitalisierung und des Grundeinkommens für ein gutes Leben für alle politisch stark zu machen, Risiken der Digitalisierung öffentlich zu diskutieren und zu vermeiden.
Wir sagen: Wir wollen in einer Gesellschaft leben, die jedem Menschen bedingungslos das Recht auf Leben und gesellschaftliche Teilhabe zugesteht
Grundsätzlich kann das Netzwerk Grundeinkommen keinen politischen Forderungen und Initiativen zum Thema „In welcher Gesellschaft wollen wir leben?!“ zustimmen, die Menschen per Existenznotpeitsche und unter Androhung sozialer Ausgrenzung von der Teilhabe an Gesellschaft zur Arbeit oder zu anderen Gegenleistungen nötigen. Konzepte, die die Würde und das selbstverantwortbare Handeln von Menschen in Frage stellen, lehnen wir ab. Denn das Grundeinkommen ist dazu ein grundsätzlicher Gegenentwurf. Uns geht es um das jeden Menschen bedingungslos zuerkannte Recht auf Absicherung der Existenz und Ermöglichung gesellschaftlicher Teilhabe.
An Aktivitäten, an der Vernetzung und Debatten zum Thema „In welcher Gesellschaft wollen wir leben?!“ sind wir deswegen interessiert, weil sie Chancen bieten, eine bessere Zukunft für alle Menschen denkbar und politisierbar zu machen. Dazu braucht es Visionen, konkrete Ansätze und die Vernetzung von gesellschaftlichen Akteuren.