Crossing arms, crossing fights – Das gute Leben erkämpfen
Rhein-Main 2015
Intro
Warum diese regionale Broschüre?
Wer wir sind …
Wir sind eine kleine Gruppe von Ak vist*innen, die sich auf regionaler Ebene in verschiedenen sozialen Kämpfen engagieren. Seit vielen Jahren wirken wir mit in den Netzwerken der Erwerbslosenini a ven und im an rassis schen Widerstand. Einige von uns waren und sind zudem in den Mobilisierungen von Blockupy und bei NoTroika ak v. Im Herbst 2013 ha en wir uns zunächst am Vorschlag für den Au au eines Regional- Rates beteiligt, doch der erho e Impuls für eine verbindlichere Struktur und verbesserte Handlungsfähigkeit in Rhein-Main ist daraus zunächst nicht erwachsen. Mit weiteren Tre en und Veranstaltungen in 2014 und 2015 (siehe Chronologie) wollten und wollen wir dennoch an der Idee einer sowohl thema sch- wie auch spektren-übergreifenden Vernetzung festhalten.
… und was wir wollen
Wir sind überzeugt, dass ein regelmäßiger Austausch und eine kontinuierliche Zusammenarbeit der unterschiedlichen lokalen Initiativen notwendig sind, um einen nachhaltigen Prozess der emanzipativen gesellschftlichen Veränderung voranzutreiben. In Rhein-Main gibt es eine Vielzahl von Gruppen und Bündnissen in allen möglichen inhaltlichen Feldern. Einige arbeiten in langfristig angelegten Strukturen und haben in ihren Bereichen profundes Wissen und viele praktische Erfahrungen gesammelt. Andere stecken in Kampagnen und bewegen sich mit den Dynamiken temporärer Protestwellen. Beides ist im besten Fall sporadisch mit- einander verknüpft und es gelingt in einzelnen Momenten, inhaltliche Brücken zwischen unterschiedlichen Handlungsfeldern herzustellen. Doch insgesamt dominiert das inhaltliche und praktische Nebeneinander, eine Zersplitterung und Ungleichzeitigkeit, die selten gesamtgesellschaftliche Alternativen aufscheinen lässt. Das gemeinsame Wirkungspotential bestehender radikaler Alltags- und Kampagneniniativen erscheint uns jedenfalls um einiges größer als das, was sich bislang in Rhein Main bewegt. Und an dieser Einschätzung wollen wir weiter ansetzen.
Offene Fragen …
Doch warum funkt es bislang nicht, damit sich ein kontiuierlicher, wachsender übergreifender Ansatz herausbildet? In vielen Einzelgesprächen erleben wir Zustimmung zur Perspektive übergreifender Vernetzung. Im konkreten finden sich die meisten überlastet in ihren jeweiligen Feldern und verlieren den Sinn des ge- genseitigen Austauschs und der Koordination. Eine Balance zu finden zwischen der Fokussierung im eigenen Feld und der dauerhaften Bemühung um Bündelungen scheint schwer zu realisieren. Und es bleiben bislang zu wenige Personen, die diesen Anspruch umzusetzen versuchen.
Doch neben der Kapazitätsfrage stellt sich auch das Problem der Abgrenzungen. Der eigene inhaltliche Schwerpunkt, angereichert um mehr oder weniger ideologisierte Vorstellungen von gesellschaftlicher Verän derung, wird häufig zum Tellerrand, über den nicht mehr wirklich hinausgeguckt werden will. Sicherlich gibt es Polarisierungen innerhalb der radikalen Linken, die eine Zusammenarbeit schwierig bis unmöglich machen. Doch das Feld der Gemeinsamkeiten erscheint uns wesentlich größer als die bisherigen Bereitschaften, mit gegenseitigem Respekt unterschiedliche Ansätze in einen übergreifenden Rahmen zu bringen.
Wir wollen nicht behaupten, dass eine stärkere gemeinsame Organisierung der emanzipativen Linken automaisch mehr Bewegung oder gar Aufbruchsstimmung schaffen würde. Soziale Dynamiken bleiben unberechenbar, es sind nicht plan- und schon gar nicht organisierbare Anlässe und Konflikte, die die sozialen Verhältnisse bisweilen zum Tanzen bringen. Aber es macht für uns einen Unterschied, ob und wie eine regionale Linke in sozialen Aufbrüchen interventionsfähig ist, und wie sie auch in bewegungsarmen Zeiten ihre Handlungsfähigkeit auszubauen sucht.
… und konkrete Schritte
Durchsetzungsstrategien zu entwickeln, erscheint uns eine der zentralen Herausforderungen an eine gesellschaftlich aktive Linke, die mehr will als in gelegentlichen Protestzyklen mitzumischen und mehr oder minder abstrakte Ideen einer anderen Welt zu proklamieren. Wir suchen nach einem an kapitalistischen Aktionsprogramm, das regional erreichbare radikale Reformen und zunächst unerreichbare längerfristige Ziele in ein spannendes gegenseitiges Verhältnis bringt. Dafür zielen wir auf ein kontinuierliches regionales Netzwerk als gemeinsamem Rahmen für Reflektion, Austausch und punktuelle übergreifende Initiativen.
In konkreten Forderungen nach „sozialer Infrastruktur“ sehen wir einen potentiellen Kristallisationspunkt, der unterschiedliche lokale soziale Initiativen in einen verbindenden Prozess bringen kann. Dieser muss sich auf die anhaltend starken Kämpfe um Bewegungsfreiheit und gleiche Rechte beziehen, in offensiver Solidarität mit den Geflüchteten und Migrant*innen, und gegen alle rassistischen Spaltungen von oben und im unten. Das heisst, wir wollen diskutieren, wie das Recht auf Wohnraum, auf Zugang zu medizinischer Versorgung, auf Bildung/Sprachkurse und auf ein bedingungsloses Grundeinkommen für alle, die hier leben wollen, in realisierbaren Zwischenschritten angepackt und umgesetzt werden kann, ohne den Blick auf die weiteren Perspektiven zu verlieren.
Im gleichen Kontext steht für uns der Widerstand gegen die zunehmende Prekarisierung der Arbeitswelten. Entsprechend suchen wir nach einer Anbindung an aktuelle regionale Betriebskämpfe und Streikerfahrungen. Dabei bietet die Debatte um einen „sozialen transnationalen Streik“ die Möglichkeit einer direkten Rückbindung an die Kämpfe um „soziale Infrastruktur“. Wir teilen jedenfalls das Anliegen, im Begriff der Prekarisierung – und des Widerstandes dagegen – den Bezug auf Arbeits- und Lebensverhältnisse miteinander zu verknüpfen.
Einladung
Wir laden also ein zur übergreifenden Debatte und hoffen, dass in diesem Suchprozess mehr und mehr Menschen aus den unterschiedlichen Teilbereichen zusammen „auf den Geschmack kommen“, was zu gewinnen ist im gegenseitigen Lernen und was erreicht werden kann im Zusammenwirken.
Mit dieser Broschüre nehmen wir dazu einen neuen Anlauf. Wir haben Texte und Interviews aus den sozialen Feldern zusammengestellt, in denen wir selbst aktiv sind, sowie einige andere Gruppen angesprochen, die eine übergreifende Perspektive jedenfalls theoretisch teilen. Wie sich der Prozess (erneut) praktisch anpacken lässt, wollen wir in den nächsten Wochen – auch an den Reaktionen auf diese Broschüre – diskutieren. Ein erstes entsprechendes Treffen wird im Dezember stattfinden und wir werden sicherlich auch 2016 weitere Male am runden Tisch sitzen. Zudem bieten wir aber auch unseren Blog als Medium des weiteren Austauschs an: www.letempsdescerises.blogsport.de
Viel Spaß bei der Lektüre, das Redaktionsteam
Kontakt: regionalerratschlag@riseup.net